LIISA MATVEINEN & TELLU TURKKA

Klangkunst aus Finnland

Gesungene Überlieferung gepaart mit Vokaltheater und finnischer Klangkunst – das ist der musikalische Kosmos von Liisa Matveinen und Tellu Turkka. Mit ihrem Album „Iro“ erinnern die beiden Sängerinnen und Instrumentalistinnen an eine starke Frau aus ihrer Heimat, die in Vergessenheit geraten ist: Iro Sissotar (*1797, +1853). Die Runensängerin aus Nordkarelien, einer Region im Grenzgebiet zwischen Finnland und Russland, hat ihrer Nachwelt einen Zyklus aus rund 80 in Versform geschriebenen Liedern hinterlassen.
„Es sind Jahrhunderte alte Geschichten, die heute noch modern sind, da sie tief in die Seele von Frauen blicken. Sie erzählen von der Sehnsucht nach Liebe, dem Warten auf den Mann fürs Leben – aber auch von dunklen Gedanken in unglücklichen Partnerschaften“, erklärt Sängerin Liisa Matveinen. Geschrieben sind die kunstvollen, hoch ästhetischen Runengesänge in einem speziellen Metrum. Wenn Matveinen und Turkka diese Zeilen singen, entsteht eine Art Sog, in die die Zuhörenden immer tiefer hineingezogen werden. „Das liegt vermutlich an der besonderen Betonung der Silben und der Wiederholung von Wörtern. Manchmal entsteht so der Eindruck, dass es sich um Zaubersprüche handelt - um magische Formeln mit beschwörender Wirkung“. Dieser Effekt beruht zum einen auf der Stimmgewalt der beiden Sängerinnen, zum anderen auf der besonderen Instrumentierung. Liisa Matveinen ist für ihr virtuoses Spiel auf der Kantele bekannt, einer griffbrettlosen Kastenzither. Die Multi-Instrumentalistin Tellu Turkka hat für die Aufnahmen zur Moraharpa und zur Udu gegriffen. Bei der Moraharpa handelt es sich um ein dreisaitiges Streichinstrument, das klanglich einer Violine ähnelt. Die aus Zentralafrika stammende Udu ist ein aus Ton gebrannter Schlagtopf mit vasenähnlicher Optik. Mit Eveliina Pietarinen, Hallbus Totte Mattsson und Samuel Looptok Andersson komplettieren drei ehemalige Weggefährten der schwedisch-finnischen Folklore-Band Hedningarna das hochkarätige Lineup der Band.
Tellu Turkka © Laika RecordsLiisa Mateveinen © Laika Records„Die Idee zum Album ist während des Corona-Lockdowns entstanden, als wir zum Nichtstun verdammt waren. Singen galt plötzlich als etwas Böses und Sündhaftes, weil Aerosole im Verdacht standen, ein idealer Verbreiter für die Viren zu sein“
, erinnert sich Turkka. „Wir wurden in doppelter Hinsicht abgestraft, weil wir als sogenannte Nischenkünstlerinnen keinerlei Anspruch auf staatliche Unterstützung hatten“, ergänzt Matveinen. Der auf diese Weise angestaute Frust entlädt sich in dem Opener „Koiran Kunnia“ („Dog`s Honor“), das die beiden Komponistinnen zu einem Protestlied gegen die finnische Corona-Politik umgedeutet haben. „Es gibt bei uns ein altes Sprichwort, dass jemandem, dessen Leben mit Füßen getreten wird, dieselbe Ehre erwiesen wird wie einem alten Hund“, erklärt Matveinen die Bedeutung des Songs, den Turkkas Lappland-Schäferhund Manu ebenso stilecht wie stimmgewaltig mit einem klagevollen Jaulen beendet. Ungewöhnlich blutrünstig geht es in den wenigen epischen Texten zu, die von Iro Sissotar überliefert sind. Dazu gehört „Kojosen Poika“ (“Son of Kojo Hills”), in dem der Protagonist seine Ehefrau tötet und seiner Schwiegermutter als Festschmaus serviert. Diesen nicht gerade für Zartbesaitete bestimmten Plot präsentieren Matveinen und Turkka dank ihrer wandlungsfähigen Stimmen als schwarzhumoriges Mini-Hörspiel. Die Vorgeschichte dieses Kriminalfalls erzählt „Yön Tytti“ („Girl of the Night“), während der schwarze Wallach in „Musta Ruuna“ („Black Gelding“) als Metapher für ein weiteres finnisches Sprichwort dient. „In dem Stück geht es um die dunklen Gedanken einer unglücklich verheirateten Frau. Gedanken die, so heißt es bei uns, besser in den Köpfen von Pferden aufgehoben wären, da sie einen größeren und härteren Schädel haben als Menschen“, so Matveinen. Diese an Metaphern äußerst reiche Sprache sorgt dafür, dass sich die Stücke auf dem Album oft auf mehreren Ebenen deuten lassen. Zusammen mit der für Westeuropa ungewohnten Instrumentierung und der Vokalkunst zweier Ausnahme-Sängerinnen gehört „Iro“ zu den spannendsten musikalischen Neuerscheinungen der ersten Jahreshälfte 2023.

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