VERTIKO

unartiger swing mit texten von erich kästner

„Martini für die Ohren!“, „Einzigartig unartig“. So oder ähnlich euphorisch fallen die Reaktionen aus, wenn das Hamburger Trio VERTIKO Gedichten von Erich Kästner auf unnachahmliche Weise  musikalisches Leben einhaucht. Mit enormer Virtuosität, unbändiger Spielfreude und jeder Menge Spaß. Denn im Gegensatz zu Kästners weltberühmten Kinderbüchern sind viele seiner Gedichte ganz und gar nicht jugendfrei. Das beweist das Album Ballgeflüster: Braves und Böses, auf dem VERTIKO rund ein Dutzend schwarzhumoriger Gedichte im musikalischen Gewand der späten 1920’er bzw. frühen 1930’er Jahre präsentiert.   
„Mit unseren Songs wollen wir Erich Kästner aus der verstaubten Ecke herausholen“, erklärt Bandleader Ralf Böcker alias Damian Maria Rabe. Als er 2007 damit beginnt, erste Verse von Kästner zu vertonen, ist er erstaunt, dass er offensichtlich Pionierarbeit leistet. „Das hat mich überrascht und angespornt, mich intensiver mit seiner Lyrik zu beschäftigen“, erinnert sich Böcker und ergänzt:  „Viele dieser Gedichte wie Ballgeflüster oder Animierdame sind erotisch aufgeladen. Oft spielen sie im Rotlichtmilieu und erzählen aus der Perspektive von Bardamen oder Prostituierten. Das hat uns erstaunt, wie offenherzig Kästner  darüber geschrieben hat.“
In Stücken wie Duelle, Stehgeiger oder Scheidebrief geht es dagegen um die Höhen und Tiefen im alltäglichen Beziehungsleben, während wieder andere Gedichte einen politischen Hintergrund erkennen lassen. „Der Neubau drüben mit der braunen Front wird vom Regen täglich blässer. Nun ist er blond“ schreibt Kästner etwa in Regenwetter. Hier sieht Frederik Feindt durchaus Parallelen zur Gegenwart. „Heute beobachten wir mit dem gleichen Unbehagen, wie Deutschland und andere europäische Staaten nach rechts driften, was Kästners Versen eine gewisse Aktualität und Zeitlosigkeit verleiht“, erklärt der VERTIKO-Pianist.  
Auch Maskenball illustriert, wie humorvoll und zugleich bitterböse Kästner das Verhalten seiner Zeitgenossen aufs Korn nimmt. „Eine irrwitzige Geschichte über eine Gruppe Skifahrer, die sich im Hotel betrinkt und daraufhin völlig enthemmt und spärlich bekleidet die Berge herunterfährt“, fasst Böcker die Handlung des Stücks zusammen. Eine Albernheit mit Folgen. „Das Gebirge macht böse Miene. Das Gebirge wollte seine Ruh. Und mit einer mittleren Lawine, deckte es die blöde Bande zu“, beschreibt Kästner den Exitus der berauschten Skigesellschaft ebenso lakonisch wie sarkastisch.
Und wie findet man zu einer solchen Geschichte die passende musikalische Untermalung? „Ich brauche eine Initialzündung. Bei Maskenball hatte ich zuerst die Melodie, aber der Text passte nicht dazu, so dass ich ihn rhythmisch umschreiben musste. Daraus ist dann eine Art Tango geworden“, beschreibt Ralf Böcker den kompositorischen Prozess. Authentizität ist ihm und seinen Bandkollegen enorm wichtig. Nicht kopflastig sollen seine Vertonungen klingen, sondern in vergleichsweise einfachen Melodien erklingen. „In einem jazzigen Kontext mit hohem Wiedererkennungswert“, stellt Böcker klar. Von Walzer über Calypso und Tango bis zum Ragtime bilden VERTIKO die gesamte musikalische Bandbreite des Jazz der damaligen Zeit ab.
Ein Konzept, das beim Publikum extrem gut ankommt. Was zum Einen am authentischen Instrumentarium liegen dürfte. Es besteht aus Klavier, (Kinder)Akkordeon, Waschbrett, Klarinette und Saxofon und wird von der markanten Kontra-Alt-Stimme und dem (Scat)Gesang von Nina Majer veredelt. „Ich denke, es liegt vor allem an unserer großen Spielfreude und unserer Liebe zum Jazz, also zur Improvisation, die nie prätentiös, aber immer liebevoll und temperamentvoll ist. Wenn ich singe, begebe ich mich für jeden Song auf eine Reise in die Seele des Songs. Mein Ziel ist es, das Publikum emotional mitzunehmen“, erklärt die Sängerin aus Hamburg. Die euphorischen Reaktionen des Publikums beweisen, dass ihr das hervorragend gelingt.
Einen weiteren Erfolgsfaktor kennt Ralf Böcker. „Mit unserem ungewöhnlich dichten Sound nehmen wir die Zuschauer mit in die verruchten Salons der 1920’er und 1930’er und binden sie regelmäßig ins Geschehen ein“, erklärt der Bandleader. „Meist dauert es nicht lange, bis aus dem Saal die ersten Lacher zu hören sind. Was dazu führt dazu, dass sich die Zuschauer noch mehr auf die Texte konzentrieren und sich herrlich unterhalten fühlen.“
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